14 Mai 2020

Der Bananendollar

Eigentlich hatte ich nicht vor, meine Kanada – Dollarbanknoten
für nebensächliche oder gar für unnötige Dinge auszugeben.
Nur als mich mein Weg durch die breiten Asphaltstraßen der
Stadt Halifax führte, enteckte ich auf der gegenüberliegenden
Straßenseite einen Laden mit delikaten Südfrüchten!
Es dauerte einen Augenblick bis ich begriff, was das für mich bedeutete.

Für mich, einen Bürger der DDR, etwas ungewöhnliches was
ich ja nicht kannte. Schnell ging ich über die Straße, nicht dass
ich jetzt etwas kaufen wollte, für mich war es aber ein ganz
besonderer Anblick. Was ich dabei empfand, kann man nicht
in Worten ausdrücken, so überrascht war ich. Ich brauchte
schließlich eine ganze Weile, um meine Gefühle zu balancieren.

Als ich den Laden betrat, mich umsah und die Augen der
Verkäuferin  erblickte, wusste ich nicht, ob sie oder die
Früchte meinen Appetit anregten. Einen Moment stand ich
wie erstarrt vor ihr, die, nach ihrer Hautfarbe zu urteilen,
eine Afro-Kanadierin war.“Kann ich Ihnen behilflich sein?“
fragte sie. Ihr freundliches Lächeln, die engen Jeans,
das T-Shirt, darunter zeichneten sich Formen ab, schon ihr
Anblick machte mich kribblig.In meinen Adern begann das
Blut zu pulsieren! Niemals zuvor war mir eine Frau oder ein
Mädchen so aufregend erschienen. Ihre Körperform schien
wie ein Zauber auf mich zu ruhen. Beim Klang ihrer Stimme
spürte ich, wie die Wärme unter meiner Haut fuhr: ich hätte
nichts dagegen gehabt, ihre nähere Bekanntschaft zu machen,
wusste ich doch, dass es nie wieder so etwas geben würde.
Sie war mir gleich auf den ersten Blick sympathisch.

Vor Verlegenheit, griff ich in eine, meiner beiden Hosentaschen
und angelte Canada -Dollar Banknoten hervor.
Dabei zeigte ich auf die vor mir liegenden Bananen: “ Yes!“
– Schade, dachte ich,ich konnte mich nicht mit ihr unter-
halten, da ich nur wenige Worte der englischen Sprache be-
herrschte.Sie griff gleich nach einer Bananenstaude und
legte diese auf die Waage.Dabei trafen sich unsere beiden
Augenpaare und hielten sich für einen Augenblick fest.
Was für eine schmucke Frau, dachte ich, mir rutschte bei
ihren Blicken fast das Herz in die Hose. Sie war nur etwas
kleiner als ich selbst, es dauerte eine Weile, bis ich
mich wieder konzentrieren konnte. Als ich mich wieder
unter Kontrolle hatte, bemerkte ich, dass sie immer mehr Bananen auflegte.
„Ich möchte … Dollar“, verbesserte ich mich schnell.
Sie lächelte mich dabei schelmisch an:“ Okay, Mister German!“Ich hatte den Eindruck,
dass sie von meiner Existenz wusste.

Es legte ja auch nicht jeden Tag im Hafen ein deutsches Schiff an.
Ihr bezauberndes Lächeln,die dunklen Augen, ich kann nicht sagen, wie mir zumute war.
Erriet sie etwa meine heimlichen Gedanken? Und immer wieder Ihre Blicke!

Was sollte ich mit so vielen Bananen anfangen?

Yes, Mister?“

– ich konnte nur mit dem Kopf nicken, da mein Sprachgut erschöpft war.
Wie gern hätte ich noch ein wenig mit ihr geplaudert, aber wie?
Ich befürchtete, sie verstand kein Wort von mir.
Sie nahm ein übergroße Einkaufstüte und schob die Bananen wohl behütet hinein.
Und wie sie dies tat!
Sie schaute mich dabei an und strich mit dem rechten Zeige-finger die Bananenformen nach,
dazu lächelte sie.

Mit einem Ruck richtete ich mich auf und holte tief Atem.
Verstand diese Frau mehr von der Liebe als ich, ich begriff
langsam, dass ich in verlorenen Hoffnungen fischte.

Es warf schon sonderbar, wie mich diese Frau verführte.Ungefähr in meinem Alter müsste sie auch sein.

Mir hatte es die Sprache verschlagen und das kam selten vor.

Sie hatte eine knackige Jugend zu bieten, mit all diesen schwarzen Ringellocken, den dunklen Augen und was
ich besonders mochte den Grübchen in den Wangen.

Jetzt kam die Sehnsucht nach dem Leben wieder in mir
auf, aber ich wusste auch, das ich wieder gehen musste.

Mit anderen Worten, es stand mehr auf dem Spiel, als
man sich denken konnte.

Ich musste dabei an die vielen Menschen denken, die wegen Republikflucht an der Berliner-mauer oder
im Gelben Elend zu Bautzen eingesperrt und für ihre Sehnsucht nach Freiheit, jahrelang gequält wurden.

Die DDR – Stasi hatte genug Spitzel und Einfluss auf andere
Regierungen, man musste damit rechnen, ausgeliefert zu werden.

Ich mit meiner großen Bananen-tüte. Sollte ich nicht lieber gehen?
Ich bedankte mich mit einem freundlichen: „Good bye, Miss“ und
sie darauf zu meinem Erstaunen: „Auf wiedersehen, Mister German!“

Mit einem Seufzer schien sie noch etwas sagen zu wollen,
schüttelte aber nur ihrem Kopf und blickte wortlos zu mir auf.

Ich wusste, dass sie etwas in mir berührte, was ich bisher für
mich noch nicht so recht wahrgenommen hatte. Die Liebe, zu einer
Frau!“ Bitter ist das Schicksal schon.
Ich musste etwas für mich tun,das habe ich inzwischen erkannt.
Wenn mich jetzt jemand sehen könnte, dachte ich so bei mir und
begab mich meines Weges zurück zum Schiff.Eine viertel Stunde
später ließ ich mich auf eine Bank nieder und genoss lebhaft Stück
für Stück deiner Bananen. Wenn ich mir vorstellte, dass ich in
meinem bisherigen Leben nur ein Drittel dieser Früchte zu Gesicht
bekommen hatte,die ich jetzt in dieser Tüte trug!

Der Staat, die DDR hatte für uns Bürger, kein Geld für Südfrüchte übrig.
Erst nach der Wendezeit! Erfuhren wir Bürger, wie gut unsere Regierung,
auf unseren Kosten in Wandlitz bei Berlin-Ost lebte – Sozialismus-
für die Elite.

Ich hätte ja auch in Kanada bleiben können :
-Ohne Mauer
-Flucht über Ostsee usw.
-Heimat ist Heimat!

Schlagwörter: , , ,
Dieter Schönefeld Copyright 2022. All rights reserved.

Verfasst 14. Mai 2020 von Dieter Schönefeld in category "Kurzgeschichte

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert